Die böse Prognose wird zur traurigen Realität
In dem Artikel "Pleitewelle in der Bauindustrie" vom 06.04.22 hatten wir es schon geahnt, nun bewahrheitet sich unsere Vorahnung immer mehr. Wir hatten vor gut sechs Monaten die dunkle Prognose abgeben, dass es in den kommenden Monaten und Jahren so einige Unternehmen in der Bau- und Immobilienbranche geben wird, die sich nicht mehr länger und mit eigenen Kräften über Wasser halten können.Nun hat es die ersten bereits getroffen und auch weitere Firmen müssen sich aktuell mit ernsten und entscheidenden Konsequenzen auseinander. (69) Eine bevorstehende Pleitewelle aus Arroganz und Ignoranz Warum viele trotz voller Auftragsbücher nicht überleben werden | LinkedIn
Pleiten trotz voller Auftragsbücher
Das erschreckende an der aktuellen und voraussichtlich noch zunehmenden Situation sind die Hintergründe. Denn trotz, dass die meisten Unternehmen in der Bauindustrie immer noch volle Auftragsbücher und eingehende Anfragen verzeichnen, müssen sie ihr Geschäft verkaufen oder ganz schließen.
Das aktuellste Beispiel ist hier die Firma "Wolff Hoch- und Ingenieurbau" aus Saarbrücken, die mit über 100 Mitarbeitern und mehr als 125 Jahren Unternehmensgeschichte Insolvenz anmelden musste. Es mangelte auch bei ihr nicht an den Aufträgen, die Gründe sind:- Lieferengpässen - Gestiegenen Materialkosten - Und zu einem großen Teil der anhaltende Personalmangel
Weitere Beispiele von Firmen, die alleine nicht weitermachen konnten/ wollten
Des Weiteren haben wir dieses Jahr noch andere Insolvenzen erlebt. Hier als sehr bekanntes Beispiel die Firma Calvias Gebäudetechnik, die mittlerweile an die Rud. Otto Meyer GmbH & Co. KG (ROM-Technik) verkauft wurde. Neben Wolff Hoch- und Ingenieurbau ein zusätzlicher Fall unmittelbar aus der Baubranche, einer Sparte, die eigentlich aktuell boomt wie selten zuvor. Beide sind im Grunde genommen gestandene, erfolgreiche und sattelfeste Firmen, die ein großes Volumen an Aufträgen abwickeln konnte und einen guten Ruf genießen.
Flut an neuen Bewerbern?
Wer jetzt denkt,
"Das ist ja super für uns, wir haben volle Auftragsbücher und können noch zusätzliches Personal gebrauchen. Der Bewerbermarkt wird sich nun entspannen und wir erhalten massenhaft aktive Zuschriften."
... der liegt gänzlich falsch.
Denn auf diese Entspannung und eine Flut an arbeitslosen Fach- und Führungskräften in der Bauindustrie wird man noch lange warten können. Insbesondere wenn man wirklich gute, motivierte und kompetente Mitarbeiter anstrebt, die nicht nach wenigen Monaten, beim ersten Stress oder einem leicht höheren Angebot wieder verschwinden.
Verkäufe an größere Unternehmen, um das eigene Firmenbestehen zu gewährleisten
Im Beispiel der Calvias Gebäudetechnik war zu sehen war, dass die Firma an die ROM-Technik verkauft wurde. Diese gehört wiederum zur Zech Firmengruppe gehört. Und die Zechgruppe ist insbesondere in den letzten Jahren deutlich gewachsen. Die Hauptgründe hierfür waren einige und teilweise sehr große und lukrative Zukäufe in jüngster Vergangenheit. So wurden unter anderem folgende Unternehmen gekauft und sind nun Teil des „Zech-Imperiums“:
- Die BAM Deutschland AG
- Die Wayss & Freytag Ingenieurbau AG
- Und wie angesprochen die ROM Technik GmbH & Co. KG mit der Calvias Gebäudetechnik GmbH
Andere Beispiele, in denen große, zahlungskräftige und sehr erfolgreiche Unternehmen kleinere oder mittelständische übernommen haben, sind
- die Porr AG mit der Übernahme der Firma G-S Straßenbau GmbH
- sowie das Unternehmen Salvia Gebäudetechnik aus München, die die J. Rehms Gebäudetechnik aufgekauft haben.
Es handelt sich hier keineswegs um eine Wertung, ob diese Übernahmen und Käufe positiv oder negativ sind. Es ist lediglich eine Entwicklung, die es schon immer gab, die aber in der Baubranche (Hoch-, Tief-, Ingenieurbau und TGA) in letzter Zeit zugenommen hat und voraussichtlich auch weiter zunehmen wird.
Aussichten, Perspektiven und Gefahren
Diese Tendenzen – sowohl die Übernahmen von anderen Unternehmen als auch Insolvenzen - werden wohl in den nächsten Jahren noch häufiger zu sehen sein.
Denn die aktuelle Situation mit Lieferengpässen, Materialkosten, aber auch insbesondere Personalnotständen, wird sich weiter zuspitzen. Insbesondere die Unternehmen, die bisher ihre eigene Recruiting-Problematik vor sich hergeschoben haben, werden sehr stark darunter leiden, dass sie möglicherweise bald keine Leute mehr haben, die ihre Projekte und Baustellen abwickeln können.
Wir hören selbst zunehmend und aktiv davon, dass Eigentümer oder Gründer darüber nachdenken ihre Firmen zu verkaufen. Ähnlich wie bei Wolff Hoch- und Ingenieurbau nehmen die Herausforderungen zu und bündeln sich zu einem fast unüberwindbaren Berg.
Häufig gehen die Mitarbeiter mit bzw. bleiben im Unternehmen und arbeiten unter einem anderen Namen.
Den Fall, dass der ein oder andere sagt, er möchte nicht zu einem Konzern gehören, gibt es natürlich auch, aber grundsätzlich werden nicht deutlich mehr Kandidaten auf den Arbeitsmarkt strömen als man vielleicht vermuten oder hoffen könnte.
Viele der Arbeitnehmer, die dann doch auf den Bewerbermarkt kommen, werden dann zum Teil hohe Ansprüche stellen, wie zum Beispiel 3-4 Tage Homeoffice die Woche, Teamleitungsposition, deutlich mehr Geld etc.
Schwierige Ansprüche von Arbeitnehmern bei einem Arbeitgeberwechsel
1. Homeoffice
Insbesondere das Thema Homeoffice ist ein schönes Nice-to-have, das in vielen Fällen gut funktioniert. Es nimmt jedoch immer mehr zu, dass Arbeitnehmer 3-4 Tage pro Woche im Homeoffice arbeiten möchten. Die Konsequenzen sollten den Unternehmen jedoch bewusst sein, wenn man so eine große Remote-Arbeitszeit ermöglicht.
- Weniger Produktivität: Bei einigen Mitarbeitern ist es immer noch so, dass sie alleine zu Hause bei Weitem nicht so produktiv sind wie im Büro. Das bedeutet, dass dem Arbeitgeber ganz klar und nachweislich Arbeitszeit und -output verloren geht.
- Stärkere Störung/ Weniger Konzentration: Es gibt natürlich Positionen oder Aufgaben, die besser im Homeoffice zu erledigen sind, weil Sie ein hohes Maß an Konzentration benötigen und man hier eher ungestört arbeiten kann. Wer aber ggfs. kleine Kinder hat, die einen ablenken, kann sogar im Büro besser arbeiten.
- Bequemlichkeit/ Wirtschaftlicher Druck: In der aktuellen wirtschaftlichen Situation geht es zunehmend um Leistung und Produktivität. Wer sich hier auf Bequemlichkeit ausruht, wird mit ernsten Konsequenzen rechnen müssen.
- Unternehmenszugehörigkeit: Des Weiteren sinkt mit 3-4 Tagen Homeoffice pro Woche auch die Identifikation mit dem Unternehmen. Wenn eine Person kaum Kontakt zu den Kollegen und Vorgesetzten hat, was für einen Anreiz hat sie dann im Unternehmen zu bleiben? Die Gespräche mit den Kollegen und soziale Kontakte innerhalb der Arbeitsumgebung fallen weg. Es können sich keine Freundschaften mehr bilden, durch die man sich zunehmend wohler am Arbeitsplatz fühlt. Das Arbeitsklima leidet stark darunter, wenn nur sporadisch Mitarbeiter in den Räumlichkeiten sind. Sollte dann ein Angebot einer anderen Firma mit mehr Gehalt kommen, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass der Mitarbeiter den Job wechselt. Für jemanden in einem freundschaftlichen, kollegialen und angenehmen Betriebsklima mit viele Benefits vor Ort stellt sich diese Frage nicht.
- Zudem werden erstklassige A-Mitarbeiter häufig automatisch zu B- und C-Mitarbeitern gemacht, da ihre Motivation durch den fehlenden Austausch sinkt. Bei schwierigen Situationen oder Herausforderungen im Job motivieren sich Kollegen häufig gegenseitig. Im Homeoffice und das an mehreren Tagen pro Woche ist der Mitarbeiter auf seine Selbstmotivation und -diszilpin angewiesen, die extrem sinken kann.
Immer mehr Führungspositionen
Wir bekommen in vielen Gesprächen mit, dass Bewerber mit 5-7 Jahren Berufserfahrung im nächsten Schritt in eine Führungsrolle schlüpfen wollen. Die Frage, die man sich stellen sollte ist, welcher Hintergrund hinter diesem Wunsch steht. Häufig ist es das Thema Status, einhergehend mit einem höheren Gehalt. Sich selbst als Teamleiter oder ähnliches zu bezeichnen und dazu noch mehr Geld zu verdienen, in dem man andere mehr/ besser arbeiten lässt, klingt für viele verlockend. Dazu weniger Reisetätigkeit zu den Projekten und weniger operative Aufgaben sorgt leider für einen sehr großen Andrang auf Positionen, von denen es nur sehr wenige gibt.
Dieser Entwicklung könnte man entgegenwirken, indem man Bau- oder Projektleiter, also allgemein operativ tätige Mitarbeiter besser bezahlt als Teamleiter, die zwar strategische und Führungsaufgaben haben, aber nicht aktiv am Projekterfolg beteiligt sind. Mit einer klaren Kommunikation, dass das Geld im operativen Geschäft und unmittelbar in und an den Projekten verdient wird, sollte dies von Vornherein geklärt werden.
Die Leitungsfunktionen können und sollten dann an die Personen vergeben werden, die es wegen der Aufgabe übernehmen möchten und wirklich Spaß und Talent bei der Führung von Mitarbeitern haben. Und nicht an die, die dies nur wegen des Status und des Geldes machen wollen.
Gegenmaßnahmen bzw. Lösungsvorschläge
Manche Unternehmen und Führungskräfte sollten sich überlegen von ihrem hohen Ross abzusteigen und flexibler in den Anforderungen an ihre potenziellen Mitarbeiter zu werden. Techniker/Meister, die jahrelange Berufserfahrung mitbringen, sind in der Regel höher qualifiziert als Studienabsolventen, die zwar einen Abschluss aber nicht die nötige Berufserfahrung mitbringen.
Des Weiteren sollten mehr Unternehmen motivierten Kandidaten eine Chance geben trotz einem etwas unkonventionellen Lebenslauf. Ein konkretes Beispiel dafür, wie so etwas extrem gut funktioniert hat, können Sie in unserem Artikel „Chancen geben: Wie ein Polier ein gesamtes Kalkulations-Team überrascht“ vom 23.05.2022 nachlesen. (69) Chancen geben: Wie ein Polier ein gesamtes Kalkulations-Team überrascht | LinkedIn
Man sollte sich immer vor Augen führen:
Mitarbeiter oder Headhunter kosten kein Geld, sondern nur die Mitarbeiter, die man nicht hat!
Da Projekte nicht abgewickelt werden können und Konventionalstrafen darauffolgen, wird die Mehrarbeit auf den Schultern der bestehenden Mitarbeiter verteilt. Wenn sich mehr Unternehmen dafür stark machen würden, dass es bei öffentlichen Vergaben zu einem Umdenken kommen muss, würde man vielleicht auch nicht mehr verpflichtet sein so einen großen Wert auf einen Studienabschluss zu legen. Es ist aktuell immer noch so, dass es im Vergabeverfahren mehr Punkte für Ingenieure als für Techniker mit jahrelanger Berufserfahrung gibt. Dadurch stellen insbesondere Ingenieurbüros hauptsächlich nur Mitarbeiter ein, die einen Ingenieurstitel mitbringen.
Wenn Sie selbst auch auf der Suche nach einer neuen Herausforderung sind, weil Sie befürchten, dass auch Ihr Arbeitgeber in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten könnte, weil zu wenig oder zu spät auf die aktuellen Herausforderungen eingegangen wird, dann melden Sie sich unbedingt unter https://www.jobs-bauindustrie.de/termin/
Und wenn Sie als Unternehmen erfahren möchten, wie Sie mit dieser Vielzahl der aktuellen Herausforderungen am besten umgehen und wenn Sie schnell und einfach die passenden Mitarbeiter finden möchten, dann melden Sie sich ebenfalls unter n.nagel@kqbus.de oder unter der 0211 55780016.
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