Die meisten Menschen möchten sich beruflich weiterentwickeln und einige wollen über kurz oder lang Führungsverantwortung übernehmen. Dagegen ist nichts einzuwenden, es scheint sich jedoch eine problematische Entwicklung abzuzeichnen. In den letzten Wochen und Monaten erhalten wir immer wieder auch aktiv Suchanfragen von Arbeitnehmern. Diese haben häufig eines gemeinsam: Es geht ausschließlich um Führungspositionen. Viele der Bewerber sind unzufrieden in ihren aktuellen Jobs und möchten in ihrer nächsten Position unbedingt Personalverantwortung übernehmen.
Unrealistische Vorstellungen und falsche Beweggründe
Zu diesen Bewerbern gehören häufig auch Personen, die selbst nur wenige Jahre operative Erfahrung und noch gar keine Führungserfahrung mitbringen. Nichtsdestotrotz möchten sie von den höheren Gehältern profitieren, die leitende Mitarbeiter erhalten. Ihre Gehaltsvorstellungen steigen im Vergleich zu den aktuellen mit der Begründung ihr Verantwortungsbereich würde steigen. Für einstellende Unternehmen ergibt sich der Mehrwert bei der Zusammenarbeit mit einer Person nicht, die zwar hohe Gehaltsvorstellungen, jedoch vergleichsweise wenig oder gar keine Führungserfahrung mitbringt. Entsprechend enttäuschend ist die Suche für die Arbeitnehmer. Eine Einsicht stellt sich jedoch leider häufig nicht ein und die Arbeitnehmer bleiben unzufrieden in ihrem aktuellen Job statt zu einem besseren zu wechseln, weil die Position auf einer ähnlichen Stufe wäre. Hinzu kommt eine falsche Einschätzung der eigenen Fähigkeiten. Natürlich sieht es nach außen hin einfach aus. Man kümmert sich darum, dass Mitarbeiter funktionieren. Man prüft ihre Leistungen, ihre Zahlen und ihre Ergebnisse, man führt Mitarbeitergespräche und reportet selbst je nach Position an den nächsten Vorgesetzten oder Vorstand. Sollten Ziele nicht erreicht werden, spricht man drüber und gibt Hilfestellungen. Man selbst übernimmt jedoch die Verantwortung gegenüber der nächsten Instanz. Die Verantwortung für die Leistung und vor allem für die Ergebnisse und dabei ist es meist egal, ob es Kündigungen, Krankheitsausfälle oder sonstige Dinge gab, für die man selbst nichts konnte.Hinzu kommt, dass man eine sehr gute Menschenkenntnis benötigt und einen sehr guten Umgang mit Menschen beherrschen muss. Jeder tickt anders und man muss sich als Führungskraft in jeden einzelnen Menschen hineinversetzen können.
Schließlich möchte man am Ende nicht der ungerechte Vorgesetzte sein, wegen dem Mitarbeiter kündigen.
Gleichzeitig muss man selbst schon so viel Erfahrung und Fachwissen in der konkreten Materie mitbringen, dass man auf die Fragen seiner Leute immer oder möglichst schnell eine Antwort hat.
Schließlich möchte man nicht der Vorgesetzte sein, der selbst keine Ahnung hat.
Und man muss organisatorisch und strategisch sehr gut sein. Denn neben den Mitarbeiterthemen und möglichen weiteren unmittelbaren Projektangelegenheiten muss auch das eigene Reporting passen, man muss sinnvolle Ziele setzen und verfolgen.
Schließlich möchte man nicht der Vorgesetzte sein, der planlos umherirrt.
All diese Aspekte und noch weit mehr gehören dazu, werden aber oft ignoriert, denn "Führungskraft" zu sein, klingt so gut. Das ist ein weiterer Grund für den gewünschten möglichst schnellen Aufstiegswunsch vieler Menschen. Neben dem Geld auch ein höheres Ansehen zu haben und einen Prestige-Faktor zu erfüllen. Beide Beweggründe sind eindeutig nicht die richtigen, um eine Leitungsfunktion zu übernehmen. Und auch der Aspekt als Führungskraft weniger operativ tätig sein zu müssen und sich von den Projekten und Baustellen fernhalten zu können, weil man darauf oder auf die damit verbundenen Reisetätigkeiten und Arbeitszeiten keine Lust mehr hat, ist keine sinnvolle Motivation. Liegt der Antrieb darin, sollte man einen Wechsel in den Innendienst anstreben.
Nachteile einer Führungsposition
Worüber nur wenige sprechen und worüber nicht weniger im Vorfeld nachdenken, sind die Nachteile der Führungstätigkeit:- Mehr Verantwortung, auch für andere, und nur teilweise selbst zu beeinflussen.- - Weniger operative Tätigkeit und weniger Kontakt zu den Projekten selbst, um den Tätigkeiten nachzugehen, die man eigentlich mal mühevoll und voller Begeisterung erlernt und studiert hat.- Zwischenmenschliche Enttäuschungen, Abmahnungen, Kündigungsgespräche, Vertrauensbrüche und ähnliche Geschehnisse, die sich auf die eigene Laune und Motivation auswirken können - Mehr Arbeit und ständige Erreichbarkeit für die Mitarbeiter.- Gleiche Behandlung, positiv und negativ, ohne eigene Favoriten im Team zu erzeugen.- Balance zwischen strategischen Aufgaben, eigenem Reporting, Mitarbeiterkontrolle und -vertrauen, operativen Prüfungen, zwischenmenschlichem Feingefühl und vielem mehr...
Vereinzelt kommt es vor, dass sich Teamleiter oder sogar Geschäftsführer bei uns melden mit dem Wunsch zurück in den operativen Bereich zu gehen. Ihnen sei alles zu theoretisch geworden, der Arbeitnehmermarkt sei unwahrscheinlich schwierig und viele Mitarbeiter sehr arrogant und vor allem fehle der Kontakt zu den Projekten und den entstehenden Bauwerken. Die Problematik bei so einem Schritt zurück liegt dann häufig um Finanziellen. Schließlich muss man hier Einbußen machen und dazu ist nicht jeder bereit. Daher sollte es gut überlegt sein, ob man Führungskraft werden möchte Idee nicht.
Niemand führt die Projekte, alle wollen Personal führen
Ein weiteres sehr schwerwiegendes Problem liegt darin, dass niemand mehr operativ tätig sein möchte. Viele möchten führen und versprechen sich dadurch ein besseres Leben, doch es gibt niemanden zu führen.Das Geld wird mit den Projekten und auf den Baustellen verdient. Wenn es hier jedoch niemanden mehr gibt, stellt sich die Wirtschaftlichkeit als sehr schwierig dar.
Lösungsansätze
Es gibt mehrere Möglichkeiten dieser Situation auch im eigenen Unternehmen entgegenzuwirken. Hier drei Lösungsansätze:
1. Eine bessere Bezahlung für das operative Personal. Wenn Bau-, Oberbau- oder Projektleiter besser entlohnt werden als Teile der Führungskräfte und das offen kommuniziert wird, dann werden sich nur noch diejenigen ernsthaft für eine Leitungsposition melden, die es wirklich wollen. Und zwar diejenigen, die es wegen der Aufgabe wollen und nicht wegen des Titels oder wegen des Geldes.
2. Die Bedeutung und Wichtigkeit betonen, die die operativ tätigen Mitarbeiter haben. Hier häufiger loben und wertschätzen und verdeutlichen, wer die wirklichen Zugpferde sind statt die Lorbeeren nur an das Führungspersonal zu verteilen.
3. Klar kommunizieren, was jemanden in einer Team-, Niederlassungs- oder Bereichsleitung erwartet und dabei auch die Schwierigkeiten, Herausforderungen und Schattenseiten präsentieren. Und mit den Mythen aufräumen alles wäre besser: mehr Geld, weniger Arbeit, mehr Abgeben und höher angesehen werden.
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