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AutorenbildNadine Nagel

Wie ein sehr bekannter Konzern aktiv vermeidet neue Mitarbeiter zu bekommen



Wir werden vor allem dann angerufen, wenn es brennt. Wenn Unternehmen dringend und bisher erfolglos auf der Suche nach neuen Mitarbeitern sind. Und genau darin liegt unsere Stärke und die Herausforderung scheinbar unmögliche Positionen doch zu besetzen. Genau so einen Fall haben wir kürzlich erlebt, jedoch das vorab: Er ging nicht positiv für das Unternehmen aus, das uns beauftragte. Es begann alles mit einem panischen Anruf:


"Höchste Priorität! Wir brauchen SOFORT Jemanden für diese Position an diesem Standort"


Dieser Notruf kam von einem bekannten Konzern im Bereich Infrastrukturbau. Ein erfolgreiches Unternehmen mit großen und namenhaften Projekten und verschiedene Niederlassungen in ganz Deutschland. Darunter auch die ein oder andere Region, die man nicht unbedingt als Metropole oder bezeichnen würde. Und wo es dementsprechend auch sehr an geeignetem Fachpersonal für explizit dieses Unternehmen mangelt.Die Anforderungen für die Position machten die Aufgabe nicht gerade leichter: Gerne von einem direkten, möglichst gleich großen Mitbewerber. Der Kandidat soll zwingend acht bis zehn Jahre einschlägige Berufserfahrung in exakt dem gewünschten Bereich mitbringen, spezifische Programme beherrschen und einen erfolgreichen sehr klar definierten Studienabschluss besitzen. Zudem soll er Erfahrung mit Großprojekten haben und möglichst schnell verfügbar sein.

Mit diesen Angaben rief uns ein Mitarbeiter der unternehmensinternen Personalabteilung an und bat fast schon verzweifelt um Hilfe. Die eigenen Recruiter hätten bereits das gesamte Umland abgegrast und seien über Monate hinweg zu keinem auch nur zweitklassig passendem Bewerber gekommen.


Challenge accepted


Man wächst bekanntlich an seinen Aufgaben und da wir seit vielen Jahren sehr spezielle Methoden und Techniken nutzen, die üblichen Personalabteilungen nicht zur Verfügung stehen, haben wir uns dieser Herausforderung angenommen. Nach einer sehr gründlichen Umkreissuche, einer detaillierten Aufstellung aller Unternehmen und einer internen Definition des optimalen Kandidaten, haben wir uns auf die Suche gemacht. Und wie es so schön heißt, muss man häufig viele Frösche küssen, bevor der richtige dabei ist. Genauso war es: aus einer dreistelligen Vorauswahl an möglichen Kandidaten ergab sich eine zweistellige Summe an Qualifizierungsgesprächen, woraus sich wiederum eine einstellige Anzahl an Profilen ergab, die es in die finale Auswahl geschafft haben. Innerhalb von nur 15 Tagen hatten wir damit eine weitaus größere Anzahl an Kandidaten gefunden als die eigene Personalabteilung über Monate hinweg.


"Wünsch dir was" ist fehl am Platz


Aus dieser Auswahl von mehreren potenziellen Kandidaten, die das Unternehmen bisher nur vom Papier kannte, wurden alle bis auf einen bereits vor einem ersten sehr aufschlussreichen (Telefon-/ online-) Gespräch aussortiert. Um diese Kandidaten näher in Betracht ziehen zu können, fehle es unternehmensinterme an Flexibilität bei den Themen Home-Office, flexiblem Arbeiten, Branchenexpertise und Berufsjahren. Wichtig an dieser Stelle: es handelt sich um eine kaufmännische Position mit ausschließlicher Bürotätigkeit, nicht um eine ausführende technische Vakanz auf einer Baustelle.

Dementsprechend reduzierte sich die Auswahl auf den einen Kandidaten, der zu einem Gespräch eingeladen wurde.


Unglaublich, wie viel Zeit man bei extremer Dringlichkeit haben kann


Nun war es an der Zeit einen ersten Termin zu vereinbaren. Dieser sollte aus Einfachheit als Videokonferenz stattfinden, was üblicherweise kein Problem ist und gerne gesehen wird. Insbesondere wenn es schnell gehen muss und immer wieder die Dringlichkeit der Besetzung dieser Position betont wird. Bei der Terminfindung mit dem Unternehmen erhielten wir dann einen konkreten Vorschlag, um diesen mit dem Kandidaten abzustimmen. Kapazitäten für einen ersten Austausch habe man in vier Wochen. Eine kurze Zusammenfassung an dieser Stelle:

Eine extrem dringende Position an einem nahezu für diese Branche ausgestorbenem Standort mit sehr unrealistischen Job-Anforderungen und nach eigener Aussage fehlender Flexibilität bei vielen Themen, die Bewerbern sehr wichtig sind. Und der eine unter Hundert, bei dem die Fahrtzeit, die Erfahrung, die Branche und das Gehaltsgefüge passt und der auch selbst Interesse an diesem Unternehmen zeigt und sich für ein Gespräch bereit erklärt, sollte nun vier Wochen warten bis ein Termin frei wird. Mit deutlichen, höflichen und vor allem ehrlichen Worten haben wir die aktuelle Situation nochmal zusammengefasst und die Konsequenzen aufgezeigt, die eine Wartezeit von vier Wochen zwangsläufig mit sich bringen würde: Entweder der Kandidat ist nicht mehr verfügbar oder der Kandidat tritt von dem Gespräch zurück, da sehr deutlich fehlende Wertschätzung zu spüren bekommt. Daraufhin ergab sich nach einigem hin und her eine Einsicht auf Unternehmensseite. So konnte doch noch ein näherer Termin gefunden werden. Hierbei ging es immer noch um ein erstes digitales Gespräch, bei dem es bekanntermaßen keinen größeren logistischen Aufwand wie eine An- oder Abreise gibt. Statt in vier wurde das Gespräch nun in einer Woche abgehalten.


"Einen besseren finden wir nie. Der ist super"


Das Gespräch verlief sehr gut. Die Fachabteilung des Unternehmens war begeistert, der Kandidat selbst ebenfalls sehr positiv gestimmt und die im Gespräch anwesende Personalabteilung gab uns das Feedback "einen besseren finden wir nie. Der ist super". Schließlich hatte genau diese Personalabteilung selbst monatelang für diese extrem dringende Position gesucht und kann daher sehr gut beurteilen, wie die Situation an Bewerbern aussieht. Der nächste Schritt sollte nun ein persönliches Kennenlernen vor Ort in der Niederlassung sein. Der Kandidat hat direkt zugestimmt, der Fachbereich wollte gerne noch zwei Tage drüber nachdenken. Es lege am Abschluss des „Traum-Kandidaten“, der extrem genau definiert ist und bei dem nur ein sehr konkreter akademischer Grad in Frage kommt. Diesen brachte dieser Kandidat nicht mit und obwohl alle anderen Kriterien erfüllt und teilweise übertroffen sind, wurde Bedenkzeit benötigt.


"Mal gucken, was noch kommt"


Wir staunten nicht schlecht, als dann nach dem ursprünglichen "Höchste Priorität! Wir brauchen SOFORT Jemanden für diese Position an diesem Standort" folgender Satz fiel: "Mal gucken, was noch kommt".Mit dieser Phrase wurde die Absage begründet, dass man von einem persönlichen Termin absehen möchte und den Kandidaten nicht weiter im Prozess berücksichtigen wolle. Der Kandidat sei zudem noch nicht auf dem Level, das man ihn von Tag 1 zu 100% für die entsprechenden Aufgaben einsetzen könnte, da es bei manchen Teilgebieten noch Nachschulungs- oder Einarbeitungs-Notwendigkeit gäbe. Diese würde etwa drei bis vier Monate dauern und so lange möchten sie nicht warten, bis diese Position besetzt wird.

Die Alternative, die sie stattdessen akzeptieren: dass sie für diese sehr spezifische Vakanz an einem extrem schwierigen Standort, den gesamten Such - und Bewerbungsprozess neu aufnehmen müssen.  Selbst wenn der äußerst unwahrscheinliche Fall eintreten sollte, dass innerhalb kürzester Zeit jemand in diese Region zieht, müsste auch er sämtliche weitere Anforderungen erfüllen, den entsprechenden Abschluss mitbringen, Interesse an diesem Unternehmen haben und offen für einen Jobwechsel sein. Zudem muss seine Kündigungsfrist hinzugezogen werden, sodass er oder sie auch wahrscheinlich erst in drei bis sechs Monaten zur Verfügung stünde. Von unserer Seite sind die Argumente gegen diesen Kandidaten auf absolutes Missverständnis gestoßen und wir haben nach erneuter Rücksprache die weitere Suche eingestellt. Es wurde auch bisher anderweitig kein weiterer Kandidat gefunden, der auch nur ansatzweise passend wäre.


Fazit: solche Strukturen werden die zukünftigen Verliere sein


Nach einer monatelangen internen Suche, die erfolglos war, wird ein Headhunter eingeschaltet. Dieser findet nach kürzester Zeit aus über Hundert den einen Kandidaten, der zu 95% den Anforderungen entspricht. Dieser benötigt - wie alle neuen Mitarbeiter, unabhängig von der Erfahrung - ein Onboarding und muss sich im Unternehmen einleben. Dies dauert je nach Struktur und Aufgabe in der Regel drei bis sechs Monate. Nach Monaten der verzweifelten Suche wird "die beste" (Zitat des Personalers) Option abgelehnt, weil unternehmensseitig ein Aufwand betrieben werden muss und ein verschwindend geringer Teil der Anforderungen nicht erfüllt wird. Genau solche Unternehmen, Organisationen oder Strukturen werden die zukünftigen Verlierer sein. Die nicht besetzte Position muss durch andere Mitarbeiter - wenn vorhanden - abgefedert werden. Diese wiederum werden nicht ewig die Mehrarbeit übernehmen und sich ebenfalls bei der nächstbesten Gelegenheit nach einem neuen Arbeitgeber umsehen. Solange sich nichts an der Flexibilität des Unternehmens ändert, wird nach und nach die gesamte Abteilung immer kleiner und muss irgendwann zwangsläufig aufgelöst werden. Dies hat dann nicht nur gravierende Auswirkungen auf den wirtschaftlichen Erfolg der Firma, sondern spricht sich auch bei den übrigen Mitarbeitern, Niederlassungen und Partnern herum. Was das für ein Unternehmen im schlimmsten Fall bedeuten kann, liegt auf der Hand.

 

Was Sie daraus lernen sollen und viel besser machen können


1. Wenn ein Kandidat Sie überzeugt, aber es noch offene Themen wie eine Einarbeitung gibt: Führen Sie ein zweites Gespräch mit dem Kandidaten und besprechen genau diese Aspekte


2. Wenn Sie häufiger hören, dass Kandidaten Ihnen absagen, wenn sie von Ihrer Struktur und Arbeitsweise hören: Werden Sie flexibler bei den Rahmenparametern, nutzen Sie moderne Strukturen und digitalisieren Sie die Arbeitsumgebung, wenn möglich.


3. Wenn Sie erst gar keine Bewerbungen erhalten oder Bewerber schnell wieder abspringen: Machen Sie sich die aktuelle Marktlage und den entsprechenden Fachkräftemangel bewusst und hinterfragen Sie Ihre Anforderungen.


4. Wenn Sie sich unsicher sind, ob Sie einem Kandidaten zu- oder absagen sollen: Wägen Sie die drohenden Folgen dieser Entscheidung genau ab, verstehen Sie das Ausmaß einer Ablehnung und führen Sie, wenn nötig tiefergehende Gespräche mit dem Kandidaten, in denen Sie Ihre Zweifel offen ansprechen.


5. Wenn Sie Gespräche mit Bewerbern führen, die bis auf eine einzige kleine Voraussetzung alle Ansprüche erfüllen, dann nehmen Sie sie oder gehen wenigstens in weitere Gespräche mit ihnen, um genau das anzusprechen.


Jedem Unternehmer und jeder Führungskraft sollte bewusst sein, dass neue Mitarbeiter immer ein Onboarding benötigen. Dieses kann man selbst sehr leicht digitalisieren, beschleunigen und automatisieren. Außerdem muss man sich über die zeitliche Relation bewusstwerden: Wenn Sie seit 10 Monaten oder mehr nach einem Kandidaten suchen und nun jemanden haben, der innerhalb von drei Monaten optimal arbeitet, dann sollten sie nicht zögern. Die Opportunitätskosten der verlorenen Aufträge und Umsätze in der weiteren "Mal gucken, was noch kommt"- Zeit sind sehr hoch.


Insbesondere in der Bau - und Immobilienbranche können sich die Arbeitnehmer mittlerweile aussuchen, wo sie arbeiten. Für viele Firmen gibt es daher nicht mehr den Luxus aus Dutzenden Bewerbern die eierlegende Wollmilchsau auszuwählen und sie sollten Kompromisse eingehen - insbesondere, wenn diese Kompromisse so klein ausfallen im Vergleich zum resultierenden Vorteil. Leider hat das noch nicht jedes Unternehmen verstanden und wie dieser Fall zeigt, fehlt auch manchmal die Weitsicht und das Bewusstsein für die Konsequenzen.

Wenn auch Sie in Bauindustrie tätig sind, neue Mitarbeiter suchen und hierbei ein ehrliches Feedback zu Ihren Anforderungen und Prozessen haben möchten, dann melden Sie sich unbedingt zu einem kostenlosen Gespräch. Es gibt die Mitarbeiter, die Sie suchen. Allerdings sind Sie aktuell noch nicht bei Ihnen und wenn Sie nichts ändern, wird sich das auch nicht ändern.

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